• 04-NOV-2015

Im Zeichen der neuen EU-Öko-Verordnung: Bio in Deutschland - Quo vadis? Regional, lokal, global, ganz egal?

"Wir erwarten von Bundesminister Schmidt, dass er klare Kanten setzt und die Grenzwerteinführung nicht zulässt. Wir brauchen keine Verordnung, die schlechter ist, als die, die wir heute schon haben," sagt Felix Prinz zu Löwenstein; Vorstandsvorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft, auf der Pressekonferenz des Vereins DIE LEBENSMITTELWIRTSCHAFT am 16. Juni in Berlin. 

 Am 16. Juni 2015 tagte in Luxemburg der EU-Agrarrat über die Revision der bislang geltenden Öko-Verordnung. In seltener Einheit laufen Bauernverband und Öko-Verbände sowie Anbieter dagegen Sturm. Der Vorschlag der lettischen Ratspräsidentschaft muss vom Tisch, ist die einhellige Meinung.

"Die neue Ökoverordnung lässt eine Hintertüre offen, die einen Sonder-Flickenteppich für viele Beteiligte hervorruft. Bundesminister Schmidt muss dieser Regelung entgegen treten", so auch der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes Bernhardt Krüsken auf der Pressekonferenz.

Der strittige Vorschlag lautet: Als Bio-Produkt darf sich künftig bezeichnen, was einen bestimmten, verschärften und bio-spezifischen Pestizid-Grenzwert einhält. Der jährlich kontrollierte Anbau im Vorfeld der Vermarktung, also die Kontrolle über den Produktionsprozess, wäre damit keine absolute Pflicht mehr. "Die neue Idee der Ökoverordnung tauscht die Idee der Prozessqualität gegen die der Grenzwerteinführung," kritisiert Prinz zu Löwenstein den Vorschlag weiter.

Ein weiterer Streitpunkt sind die Regeln für importierte Biowaren. Die Bundesregierung will sicherstellen, dass auch in Drittländern, aus denen Tomaten, Bananen und anderes eingeführt werden, vergleichbare Standards für die Ökolandwirtschaft gelten wie in der EU. Die Kommission will auch hier durchsetzen, dass lediglich die Erzeugnisse rückstandsfrei sind. Zum zweiten Mal seit ihrem Bestehen 1992 soll die EU-Öko-Verordnung jetzt von Grund auf reformiert werden. 

Dagegen wehrt sich auch Georg Kaiser, Geschäftsführer der Bio Company aus Berlin: "Es ist für die Biowirtschaft wichtig, die Qualität nicht auf dem Altar der Masse zu opfern." Die Bio Company als regionaler Anbieter von Bio-Produkten im Raum Berlin-Brandenburg sieht beim Vorschlag des Agrarrates den Verbraucher als möglichen Verlierer: "Für den Bio-Handel ist es mitentscheidend, die regionalen Erzeuger in den Verkaufs- und Vermarktungsprozess mit einzubinden," so Georg Kaiser weiter.

Die ethisch-moralische Sichtweise auf das Trendphänomen "Bio", wurde von Dr. Kai Funkschmidt von der Evangelische Zentralstelle für Weltanschauung aus Berlin vorgenommen: "Wer ich bin, was ich esse, mit wem ich esse - das sind entscheidende Fragen für das soziale Gefüge jeder Gesellschaft." So spiegelt Veganismus, laut Kai Funkschmidt, den Gedanken wider, :" dass richtiges Essen ein gutes Leben definiert. Das kann auch die Antwort auf die Frage sein, warum brauchen wir mehr Bio?"

Bio ist derzeit Trend und boomt weltweit. Allein in Europa wuchs der Bio- Markt im letzten Jahr um 6 Prozent. Der Bio-Trend ist also in der Mitte der globalen Gesellschaft angekommen. Bis 2015 soll allein der chinesische Markt sieben Mrd. Euro in der Biobranche umsetzen. Doch der Erfolg frisst seine Kinder: Gesellschaftlich akzeptiert, aber ökonomisch ruiniert - Ist das die Realität, der sich Bio-Bauern stellen müssen? Rund 500 Bio-Höfe in Deutschland müssen jedes Jahr aufgeben. Im Mai 2015 hat deshalb auch das Landwirtschafts-Ministerium in Mecklenburg-Vorpommern Alarm geschlagen: Der Bioanbau ist im vorigen Jahr dort um 6000 Hektar zurückgegangen. Die Zahlen sind nicht weiter verwunderlich, denn der gesamte Bio-Anteil an Lebensmitteln macht in Deutschland nur rund 3 Prozent aus, in der EU sogar nur 2 Prozent. Pro Kopf geben die Deutschen rund 86,- Euro pro Kopf und Jahr für Bio aus, so die Zahlen von foodwatch.

Billiger produzierte Bio-Produkte aus China und Ägypten kommen auf den deutschen Markt: Fast jeder zweite Bio-Apfel, der in Deutschland verkauft wird, kommt aus dem Ausland, und 32 Prozent der Trinkmilch. Da können deutsche Biobauern nicht mithalten, zumal die Bodenpreise in der Landwirtschaft stetig steigen. Hauptverantwortlich dafür sind vor allem die Biogas-Anlagen, weil Anbauflächen für Energiepflanzen wie Raps teuer verkauft oder verpachtet werden können.

Auf der Pressekonferenz des Vereins DIE LEBENSMITTELWIRTSCHAFT e. V. in Berlin diskutierten:

Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstand Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, BÖLW. 

Bernhard Krüsken, Generalsekretär Deutscher Bauernverband. 

Georg Kaiser, Geschäftsführer Bio Company, Berlin. 

Dr. Kai Funkschmidt, Evan. Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW). 


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  • Christina Kahlert
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